Funkenflug im Chaos der Familie R.

Ein SPFH-Fallbericht
Negina Djojan ist Sozialarbeiterin aus dem Fachbereich Ambulante Hilfen zur Erziehung.
Sie berichtet von einem Fallverlauf, der vielleicht kein Fall geworden wäre, wenn es eine entlastende und förderliche Kinder-Betreuung in Borna gegeben hätte.

Wie war die Ausgangssituation der Familie R.
Wenn Familien den Unterstützungsbedarf selbst erkennen, ist es für uns schon eine gute Ausgangslage. Familie R. aus Borna hat den Antrag auf Hilfe beim Jugendamt selbst gestellt. Ich traf die Familie mit multi-komplexen Herausforderungen. Zum einen wurden Entwicklungsverzögerungen der Kinder festgestellt. Die Sorge der Eltern, dass die Kinder die Förderung, die sie dringend brauchen, nicht erhalten, war groß. Die katastrophale Kitaplatz-Situation in Borna trug maßgeblich dazu bei. Die beiden Kinder (4 Jahre und 6 Jahre) hatten, trotz zweijähriger Wartelistenplatzierung keinen Kitaplatz.
Weitere Problemfelder waren die Strukturierung des Haushaltes, ungeklärte Umgangsregelungen mit dem Vater der beiden älteren Kinder und gesundheitliche Beeinträchtigungen des kleineren Kinders (1 Jahr). Die Priorisierung von Ämtern- und Behördengängen stellten auch Herausforderungen dar. Durch die soziale Isolation der Kinder, aufgrund der fehlenden Kitaplätze, kam es vermehrt zu Geschwisterkonflikten. In Folge dieser komplexen Spannungen im Zuhause der Familie lebte die Mutter an ihrer Belastungsgrenze. Diesen Zustand hat sie uns ganz offen kommuniziert. Ihre Angst, den Kindern keine gute Zukunft bieten zu können, zog sie in eine emotionale und passive Abwärtsspirale. Die Struktur zuhause brach zusammen. Das angespannte und zerissene Innenleben der Mutter übertrüg sich auf den Zustand der Wohnung und die Kinder. Ohnmacht, Hilflosigkeit und Überforderung bestimmten die Zeit.
Welche Aspekte in der Hilfestellung waren erfolgreich?
Ich habe gemerkt, dass nur ein kleiner Schupser ungemein hilfreich war. Den Eltern war eigentlich klar, was getan werden muss. Es fehlte nur an der Kraft zur Umsetzung. Es fehlte nur ein kleiner Funke und es tat gut, dass ich jede Woche zweimal da war. Damit hatten die Eltern einerseits Halt und andererseits auch etwas Erfüllungsdruck. Die engmaschigen Besuche zuhause, teils nur kurze Besuche, waren sehr nützlich. Was aber auch hilfreich war, ist die Tatsache, dass wir hifebedürftigen Familien auch hier in unserem Büro in Borna Besuche und Gespräche ermöglichen können. So haben wir einige Online-Formulare und bürokratische Antragsformalitäten in den Beratungsräumen in der Bahnhofstraße machen können. Einen Vormittag haben wir die Küche aufgeräumt und komplett gesäubert. Da brauchte ich gar nicht viel übernehmen. Es war gut, nur da zu sein und hinweisgebend zu unterstützen. Das reichte schon, damit die Eltern gut ins Handeln kommen.
Glaubt du, dass diese Hilfe nachhaltig ist?
Ja, da bin ich mir ziemlich sicher. Definitiv. Die Hilfe ging 14 Monate und wird diesen Monat beendet. Es sind alle Ziele, die im Hilfeplan standen, erreicht. Weiterführende Hilfen sind besprochen worden und teils auch schon gefunden. Die Eltern sind angebunden und auch, wenn ich nicht mehr da bin, weiß Familie R., wo sie sich hinwenden kann.
Dieser Fall verlief sehr positiv. Es gibt aber auch viele Fallverläufe, die uns und die Klient*innen vor ganz andere Herausforderungen stellen. Neben den persönlichen Schwierigkeiten innerhalb der Familiensysteme gibt es auch politische und strukturelle Grenzen. Dadurch ergeben sich für jeden Fall komplexe Problemlagen und Benachteiligungen. Wir als Wegweiserinnen gehen gemeinsam mit den Klient*innen stets auf die Suche nach individuellen Wegen und Lösungen.