Über die Finanzierung von Frauenhausplätzen
Kerstin Kupfer ist seit fast 30 Jahren im Landkreis Leipzig in der Frauenhausarbeit und in der Beratung von Betroffenen nach häuslicher Gewalt tätig. Sie sagt, es hat sich in den letzten Jahren wirklich viel zum Positiven verändert. Nun liegt erstmalig auch ein bundesweiter Überblick zu der Finanzierung und den Kosten des deutschen Gewalthilfesystems vor.
In Sachsen gibt es, laut der Studie, 17 Frauenhäuser, die mit einer Summe von 1.700.000 Euro finanziert werden. Insgesamt stehen gewaltbetroffenen Frauen* mit ihren Kindern in Sachsen 160 Plätze zur Verfügung und die Kosten pro Platz in einer Schutzeinrichtung in Sachsen belaufen sich auf durchschnittlich 20.351 €. Wie sich die Kosten für einen Frauenhausplatz im Landkreis Leipzig zusammensetzen – darüber spricht Fenja Gettmann, Sozialpädagogin im Frauenschutzhaus des Vereins.
Sie sagt, die Gesamtsumme teilt sich in zwei Bereiche auf. Zum einen sind das die Kosten der Unterkunft, zum anderen die Kosten für die soziale Betreuung. Es gibt eine Leistungsvereinbarung nach § 17 Absatz 2 SGB II mit dem Landkreis. Frauen, die zum Zeitpunkt der Aufnahme im Frauenhaus im Leistungsbezug des Bürgergeldes, der Grundsicherung oder des Asylbewerberleistungsgesetzes sind, bekommen die Kosten der Unterkunft in Abhängigkeit ihrer Einkommenssituation bezahlt. Frauen, die nicht im Leistungsbezug sind, müssen den Platz selbst zahlen. Der Anteil der jährlichen Selbstzahlerinnen ist aber sehr gering.
“Seit die Webseite der Bundesweiten Frauenhaussuche online ist und Frauen in ganz Deutschland jederzeit freie Frauenhausplätze tagesaktuell in einem Ampelsystem einsehen können, kommen wesentlich mehr Betroffene aus anderen Bundesländern”, sagt Kerstin Kupfer. Das bedeutet einen wesentlich höheren Verwaltungsaufwand. Es müssen dafür in dem hier ansässigen Jobcenter, dem Sozial- bzw. Ausländeramt neue Anträge gestellt werden. Dadurch entsteht für die Klientin und auch für den Verein im Haus erstmal eine Finanzierungslücke, die in Vereinbarung mit dem Landkreis Leipzig über einen Notfond überbrückt werden kann. Noch schwieriger wird der Fall, wenn die gesamte Familie mit Kindern und mit der gewaltausübenden Person in einer Bedarfsgemeinschaft gelebt hat. Dann müssen die Anträge aus einem anderen Bundesland erst bearbeitet werden und Veränderungsanträge gestellt werden, bevor die Finanzierung wirklich läuft. Es ist dabei absolut hilfreich, dass es für die Mitarbeiterinnen eine feste Ansprechpartnerin im Jobcenter gibt, die die Klärung der finanziellen Situation unterstützt.
Diese bürokratischen Prozesse sind oft sehr langwierig. Manche Prozesse der Informationsbeschaffung beim Jobcenter und beim Sozialamt sind undurchsichtig und kompliziert. Aufgrund der Fluchtsituation vieler Frauen stehen nicht alle notwendigen Dokumente zur Antragstellung gleich zur Verfügung und müssen aufwendig neu beschafft werden. Wenn die Frau aus einem anderen Landkreis kommt, muss ein umfassender neuer Antrag gestellt werden. “Noch komplizierter wird es für die Klientin, wenn sie zum Beispiel einen geduldeten Aufenthaltsstatus hat und der Frauenhausplatz vom Ausländeramt finanziert werden muss. Da hängt ein riesiger Rattenschwanz an Bürokratie dran”, sagt Fenja. Unser Verein vertritt den Anspruch, allen Frauen und deren Kindern, die Hilfe und Unterstützung in Gewaltsituationen brauchen, diese zu gewähren. In einigen Fällen wird deshalb auf den o.g. Notfond und in einigen Fällen auch auf die Unterstützung des Weissen Ring e.V. zurückgegriffen. Dort können z.B. Anträge auf Soforthilfen, Beratungsschecks für Rechtberatung und psychotherapeutische Beratungen gestellt werden.
Aus der bundesweiten Kostenstudie geht weiterhin hervor, dass im Berichtsjahr 10.114 Frauen mit Kindern und 6.268 Frauen ohne Kinder aus Platzgründen abgelehnt wurden. D.h. es gib bundesweit und auch hier im Landkreis Leipzig einen größeren Bedarf an Frauenhausplätzen, als wir bislang zur Verfügung stellen können. Die Ablehnungsgründe der bundesweiten Studie decken sich mit unseren statistischen Daten. Solange wir das neue Frauenhaus noch nicht in Betrieb genommen haben, müssen wir Frauen mit Söhnen oberhalb der festgelegten Altersbegrenzung, Frauen mit Behinderungen und Frauen mit Haustieren aufgrund der fehlenden und unzureichenden Plätze abweisen. Wir hoffen aber, so schnell wie möglich Schutzplätze in dem neuen Frauenschutzhaus anbieten zu können. Denn dort sind für diese betroffenen Frauen bedarfsgerechte Plätze eingeplant.
Angesichts der Haushaltslage im Landkreis, in Sachsen und im Bund fordern wir eine sichere, einzelfallunabhängige Finanzierung von Schutz und Unterstützung der betroffenen Frauen und Kinder, die sich auf Bund, Länder und Kommunen verteilt. Wir beteiligen uns daran den öffentlichen Druck für ein bundesweites Gewalthilfegesetz zu erhöhen. Die dazu notwendigen finanziellen Regelungen für die Umsetzung dieses Gesetzes sind notwendig, damit es nicht zu einer Farce wird.
Gewaltschutz kostet Geld und rettet Leben: Gewalthilfegesetz für alle Frauen — JETZT!