Manuela Friebe-Knoke

Bei Manue­la Frie­be-Kno­ke zu Hau­se ist viel Platz für Denk­pro­zes­se und Pla­nungs­ar­beit. Ein­ge­la­den in ihr Land­haus in Geste­witz bei Bor­na, plau­schen wir über die Arbeit am Pro­jekt „Land in Sicht“ – und über das wir­re Leben.

Bewohnerin im Herrenhaus

Dass Manu, Inha­be­rin des Archi­tek­tur­bü­ros schwarz­FOR­MAT, im Win­ter nur sehr wenig Besuch aus der Stadt bekommt, liegt dar­an, dass es ver­dammt kalt ist in die­sem Her­ren­haus am Wen­de­ham­mer in Geste­witz. Um das gro­ße Haus auf gemüt­li­che Tem­pe­ra­tu­ren zu brin­gen, wur­den schon eini­ge Plä­ne geschmie­det —  aber noch kei­ner taug­te, um zukunfts­fä­hi­ge Ener­gie­kon­zep­te zu nut­zen und dabei nicht ins Nir­wa­na zu inves­tie­ren. Rie­si­ge Fens­ter, alte Holz­die­len, hohe Decken, offe­ne Trep­pen­auf­gän­ge und weit geöff­ne­te Tür­flü­gel – das ist eine ener­gie­tech­ni­sche Her­aus­for­de­rung für die­se Art von Häusern.

Manu wohnt im Her­ren­haus und arbei­tet für ein Frau­en­haus!? Das klingt absurd. Her­ren­haus —  Frau­en­haus! Da ent­ste­hen Bil­der im Kopf! Manu passt da über­haupt nicht rein —  auch nicht ins Spek­trum die­ser ant­ago­nis­ti­schen Sphä­ren. Manu arbei­tet mit ihrem Ehe­mann und Geschäfts­part­ner David Kno­ke auf Augen­hö­he, es fühlt sich woh­lig an, sehr ver­traut und klar, wirk­lich schön mit bei­den für einen kur­zen Moment zu plau­schen —  man merkt, dass sie schon lan­ge gut mit­ein­an­der leben und arbei­ten und sich gegen­sei­tig stärken.

Und der Zustand, dass es im Win­ter eis­kalt ist, mit Fens­tern aus Plas­tik­rah­men und Möbeln, wie bei mei­ner Freun­din in der Alt­mark – da brö­ckelt das Gedan­ken­spiel der wohl­ha­ben­den Bour­geoi­sie im Her­ren­haus. Als ich erfah­re, dass die Ter­ra­kot­ta-Fuß­bo­den­flie­sen im Foy­er bei Obi güns­tig geschos­sen wor­den, erst recht! Manu woll­te Innen­ar­chi­tek­tin wer­den, sagt sie. Das sieht man! Es ist tot­schick! Sie hat ein Gespür für Acces­soires, Bil­der und Hin­ge­stell­tes, mit Lei­den­schaft sind die gro­ßen Räu­me mit der per­fek­ten Ästhe­tik gefüllt, die die Räu­me von einer Krea­ti­ven verlangen.

Carports statt Sichtbeton und Glas

Manu hat ein 96er Abi, ist Jahr­gang 77 und hat nach dem Abi eine zwei­jäh­ri­ge inner­be­trieb­li­che Aus­bil­dung zur Füh­rungs­kraft bei Schle­cker gemacht. „Schlim­mer kann der Kapi­ta­lis­mus nicht ver­mit­telt wer­den — als damals bei Schle­cker“, sagt sie bei einer Ziga­ret­te und einer hei­ßen Tas­se Kaf­fee. Sie wirkt ent­spannt und gut gelaunt. Der knall­ro­te Lip­pen­stift fetzt. Die­ser Tisch, an dem wir sit­zen, ist rie­sig —  ein Her­ren­tisch im Her­ren­haus? Wie­so man bei „groß“ immer an Her­ren denkt? Gera­de sit­zen David, Manu und ich —  dann, kur­ze Zeit spä­ter nur noch Manu und ich, am Tisch. David wirft mir kurz einen Satz rüber, als er vom Tisch auf­steht, weil ich das Auf­nah­me­ge­rät anschal­te. „Tex­te über alte wei­ße Män­ner gibt es doch schon genug, oder?“. Hät­te Sophie Pass­mann bei der Recher­che zu ihrem Buch „Alte wei­ße Män­ner — Ein Schlich­tungs­ver­such“ mit David gespro­chen, wäre er sicher­lich genau­so gut dabei weg­ge­kom­men wie Robert Habeck.

Für Manu fol­gen nach dem Irr­weg der Aus­bil­dung zwei Jah­re Stu­di­um der Archi­tek­tur in Erfurt. Manus Eltern sind dank­bar und wünsch­ten sich nichts sehn­süch­ti­ger, als dass sie ga­­­­­­­nz lan­ge ganz weit weg von der bösen Stadt mit all dem hin­der­li­chen Gau­di bleibt und das Stu­di­um in Erfurt kon­zen­triert zu Ende bringt —  am bes­ten mit Eins Kom­ma null. Aber Manu will nach zwei Jah­ren zurück in die Hei­mat, zu ihren Freund*innen und setzt alles dar­an, ihr Stu­di­um in Leip­zig wei­ter­zu­füh­ren. Aber —  egal wo sie ist, „das Archi­tek­tur­stu­di­um ist eine komi­sche Kis­te“, sagt sie, „da schwingt manch­mal so eine leich­te Über­heb­lich­keit mit. Zum Bei­spiel — wenn die Pro­fes­so­ren es total cool fin­den, wenn alles im Design so abge­dreht ist. Ich möch­te für Men­schen Häu­ser bau­en, die sich dar­in wohl füh­len. Nach dem Stu­di­um wäre ich auch mit der Pla­nung eines Car­ports zufrie­den gewe­sen, wenn er für die Men­schen Gutes bringt und sei­nen Zweck erfüllt.“ 

Makrosomie der Bürokratie

Das Pro­jekt „Land in Sicht“ ver­bin­det uns mit Manue­la Frie­be schon fast vier Jah­re. Sie spricht über das Pro­jekt mit einer Art von Lie­be, Wür­de und Ach­tung. Mit der Lage und der Anmu­tung der Vil­la geht eine insti­tu­tio­nel­le Wert­schät­zung ein­her, die wir sehr begrü­ßen. Das Haus ist mit sei­ner Lage prä­sent – die Adres­se geheim. Es befin­det sich nicht in einer Sack­gas­se, nicht am Orts­aus­gang und es ist kein ver­steck­tes Hin­ter­haus. Es ver­mit­telt Eman­zi­pa­ti­on und damit geht auch die Ent­ta­bui­sie­rung des The­mas „Häus­li­che Gewalt“ einher.

Auf der Bau­stel­le ist die Atmo­sphä­re anders als sonst. „Unter den Hand­wer­kern brei­tet sich eine unge­wohnt sanf­te Stim­mung aus.“, sagt sie. Dass ihr Geschlecht die Not­wen­dig­keit die­ser Frau­en­schutz­häu­ser bedingt, trägt viel­leicht dazu bei? Und auch bei den Unter­neh­men, die im Haus mit­ar­bei­ten, kön­nen wir uns auf eine ange­mes­se­ne Hal­tung ver­las­sen. Undenk­bar, eine Bau­stel­le, auf der die Bau­ar­bei­ter Pas­san­tin­nen mit Rufen über die Stra­ße sexu­ell beläs­ti­gen, wäh­rend sie die Fas­sa­de des Frau­en­hau­ses ver­put­zen. Weil, „Bau kann auch schmut­zig sein!“ – sagt sie. „Bei uns sind die Arbei­ter alle sehr gerührt. Mit allen Fir­men wur­de in einer Klau­sel ver­trag­lich gere­gelt, dass die Adres­se auf­grund der Sicher­heit für die zukünf­ti­gen Bewoh­ne­rin­nen geheim blei­ben muss. Dar­über muss Still­schwei­gen gewährt wer­den. Außer­dem gibt die Bau­ge­neh­mi­gung vor, dass ein Bau­stel­len­schild ange­bracht wer­den muss, aber auch das geht für die­ses Pro­jekt nicht!“

Frau mit Schal und knallrotem Lippenstift, Portrait Manuela Friebe-Knoke

Am 31.12.2024 läuft die För­de­rung für die Sanie­rung des Schutz­hau­ses aus. Die Antrag­stel­lung, der Mit­tel­ab­ruf und die Abrech­nung sind kom­pli­ziert. Manu meint, die­se Makro­so­mie der Büro­kra­tie liegt dar­an, dass die Umset­zung der Istan­bul Kon­ven­ti­on ziem­lich neu ist und es dahin­ge­hend auch wenig Erfah­run­gen mit Frau­en­haus-Bau­pro­jek­ten gibt. Und sicher­lich ist es eine Bau­pro­jekt-Nische, im Ver­gleich zu ande­ren Bun­des­in­ves­ti­tio­nen. Da sind die hand­werk­li­chen Fach­kräf­te genau­so wie die Bun­des­be­hör­den ziem­lich unwis­send, was es im Spe­zi­el­len zu beach­ten gilt. Das Pro­jekt ist des­halb qua­si für alle ein Erfah­rungs­schatz. Pro­jek­te müs­sen ihre Ord­nung haben und kla­ren Regeln fol­gen. Dafür legt Manu ihre Hand ins Feu­er. Sie liebt eine geord­ne­te Struk­tur und – wirk­lich, sie liebt Tabellen!

Architektin mit Herz

Vor dem Pro­jekt „Land in Sicht“ — da waren schon vie­le ande­re, nicht weni­ger erzäh­lens­wer­te. Sie spricht von der Lütz­ner Stra­ße, unter der Lei­tung von Moni­ka Schö­pe, die sich ihr Leben lang für die Inter­es­sen der Ange­hö­ri­gen von Men­schen mit einer see­li­schen Erkran­kung stark mach­te und vom Bau­pro­jekt AK Reso­zia­li­sie­rung e.V., wo um die ent­las­se­nen Ex-Häft­lin­ge drum rum saniert wur­de – har­te Jungs und Manu mit­ten­drin! Und sie spricht über das aller­ers­te Bau­pro­jekt der Leip­zi­ger Tafel, wo Men­schen in Not, Obdach­lo­se und Hil­fe­be­dürf­ti­ge jeden Mor­gen um acht Uhr erwar­tungs­voll am Tor stan­den, weil der Aus­hilfs­job auf der Bau­stel­le zur lebens­be­ja­hen­den Rou­ti­ne-Auf­ga­be wur­de. Und dann – als alles fer­tig war –  da stand Freund Alko­hol wie­der vor der Tür und war­te­te. Beein­druckt, begeis­tert und auch ergrif­fen spricht sie von den Pro­jek­ten – die immer ein Bild von Per­sön­lich­kei­ten zeich­nen —  es dreht sich eben nicht um schi­cke Fas­sa­den aus Sicht­be­ton und Glas, nicht um das abge­dreh­te Design.
Ob sich die Bewoh­ne­rin­nen des Frau­en- und Kin­der­schutz­haus dort sicher und wohl füh­len? Einen siche­ren Ort für Ruhe, Gene­sung und Hei­lung unter opti­ma­len räum­li­chen Bedin­gun­gen kön­nen wir auf jeden Fall mit dem neu­en Haus garan­tie­ren.

Der Kaf­fee ist alle. Die Zeit ist wie im Flug ver­gan­gen! Ich bin Manue­la Frie­be-Kno­ke als eine Frau mit einer wahn­sin­ni­gen Begeis­te­rungs­fä­hig­keit, mit lie­be­vol­ler Hin­ga­be, als nah­ba­re Per­son, herz­lich, offen, akti­vie­rend und vol­ler Feu­er für die gute Sache und ihre Arbeit begeg­net. Der inne­re Schwei­ne­hund und eine stren­ge Dis­zi­plin zeich­nen ihren Weg. Kers­tin Kup­fer sagt, ohne sie hät­ten wir das Pro­jekt nie­mals so gerad­li­nig zu Ende brin­gen kön­nen. Und – uns ver­eint eine Sache: Erfolg ist kei­ne Fra­ge des Gel­des, son­dern eine Fra­ge der huma­nis­tisch-empa­thi­schen Hal­tung und des inne­ren Feuers!